Logopädische Therapie ► Sprechen

Stottern / Poltern bei Jugendlichen und Erwachsenen


 

"Stotternde Menschen unterscheiden sich von Nichtstotternden ausschließlich darin, dass manchmal der Redefluss in ungewöhnlicher Weise stockt."

Patricia Sandrieser, Peter Schneider, 2000


Was sind Störungen des Redeflusses?

Stottern und Poltern gehören zu den Redeflussstörungen und Sprechstörungen. Sprechstörungen sind Störungen bei denen die Koordination der zum Sprechen erforderlichen Bewegungsabläufe von Artikulation, Atmung und Stimmgebung mit dem korrekten Maß an Spannung der beteiligten Muskelgruppen gestört ist. 


Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen

 

Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen unterscheidet sich ganz wesentlich von Unflüssigkeiten bei Kindern. Dies beruht im Wesentlichen auf der Tatsache, dass bei Jugendlichen und Erwachsenen bereits ein Bewusstsein für das Phänomen entstanden ist, das sich in der Regel auf ihr gesamtes Sprech-, Kommunikations- und auch Sozialverhalten auswirkt. Während Stottern bei Kindern noch zu 5% der Bevölkerung auftritt, besteht es ab dem Jugendalter nur noch bei ca. 1%,  jedoch bei etwa doppelt so vielen Jungen wie Mädchen. Über die Entstehung des Stotterns gibt es viele Theorien. Man nimmt an, dass evt. die Veranlagung zu Stottern vererbt ist und dann viele weitere Faktoren zu seiner Entwicklung dazu kommen müssen. Beim chronischen Stottern kommt es im Prinzip zu den gleichen Unflüssigkeiten, wie sie auch bei nicht stotternden Menschen auftreten. Diese Unflüssigkeiten sind jedoch viel häufiger und meist viel stärker ausgeprägt und verursachen deutliche Reaktionen bei den Betroffenen. Das plötzliche Auftreten, wie auch bereits die Erwartung eines Stotter-Ereignisses ist meist mit starken emotionalen und körperlichen Reaktionen verbunden., die wiederum Auswirkungen auf den Sprechablauf haben.

 

Diagnostik 

Wir untersuchen

  • die Häufigkeit und Qualität der einzelnen primären Symptome 
  • die Sekundärsymptomatik
  • Vermeidungsverhalten
  • die emotionalen und körperlichen Reaktionen
  • das Sprech- und Kommunikationsverhalten

 

Die primären (eigentlichen) Stottersymptome können sein:

  • Wiederholung von Einzellauten oder Silben:"Ich k-k-kkomme dann um füfüfüfünf"
  • Prolongationen (Lautdehnungen): "vvvvvielleicht am Saaaamstag"
  • Unterbrechung von Wörtern:"das kommt ganz au---------tomatisch"
  • Hörbare oder stumme Blockaden: "i . . . . ch möchte noch . . . . . . . . . . . . . ein Brot"

 

Sekundäre Stottersymptome:

Um diese Stottersymptome zu umgehen oder möglichst unauffällig zu überwinden, entwickelt jeder Stotternde seine eigenen Strategien, z. B."Also, ähm, ich mmmöchte mich b----, also jetzt b-ei ..... Ihnen, ähm, also, vovovorstellen." Mögliche Sekundärsymptomatik:

  • Starthilfen ("ähm, also, ich sag mal ...")
  • Lückenfüller (Räuspern, ähm, Nachdenken)
  • Abbrüche und evt. veränderte Neuversuche ("gestern war ich im K----, also hab ich mir einen Film im Luna angesehen")

Weitere sekundär entstehende Symptome können sein:

  • Verzicht auf die aktive Teilnahme an Kommunikation
  • "gewaltsames"  Lösen von Blockaden (z. B. Pressen der Lippen, ruckartige Bewegungen mit Faust, Fuß ...)
  • sprachliche Umwege (z. B. Satzumstellungen)

Einige stotternde Menschen haben so gute Strategien entwickelt, dass sie nicht als Stotterer erkannt werden. Das "innere" Stottern, das Anwenden der Strategien, das Vermeiden des Stotterns ist jedoch häufig genau so anstrengend, wie das Stottern selbst.

 

Therapie

Zielsetzung der Therapie ist es, dem Stotternden das Sprechen und die Kommunikation zu erleichtern und, wenn möglich, einen höheren Flüssigkeitsgrad zu erreichen. 

 

Die Schwerpunkte der Stottertherapie

  • Modifikation des Stotterns (non-avoidance-Ansatz nach C. Van Riper)
  • fluency - shaping (Erhöhen der Sprechflüssigkeit über Stimm- und Sprechvariationen)
  • Selbstwahrnehmungstraining, Arbeit am Körper, Wahrnehmung von Bewegungsabläufen
  • Minderung der Anspannung (u.a. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson)
  • Übertragen der Therapieinhalte in den Alltag (In-vivo-Training)
  • Arbeit an Emotionen, psychischen Reaktionen
  • Erhöhen der kommunikativen Fähigkeiten
  • Selbstsicherheitstraining
  • Arbeit an der inneren Einstellung, Kognition

Poltern bei Jugendlichen und Erwachsenen

Poltern zeigt sich bei Jugenldichen und Erwachsenen in schnellem und / oder unregelmäßig schwankendem Sprechtempo. Dabei treten Auslassungen, Verschmelzungen und artikulatorische Veränderungen von Lauten, Silben, Wörtern und Phrasen auf. Das Sprechen ist schwerer verständlich, phasenweise unverständlich. Das Strukturieren sprachlicher Inhalte kann schwer fallen. Pötern verstärkt sich häufig zu Beginn der Puberträt.

 

Diagnostik

Wir untersuchen

  • die Verständlichkeit des Sprechens, ggf. artikulatorische Verschmelzungen, Auslassungen, Veränderungen
  • die orale Diadochokinese (schnelle Silbenfolge / Mundmotorik)
  • die Fähigkeit sprachliche Inhalte zu strukturieren
  • das Kommunikationsverhalten
  • die Fähigkeit, Sprechen zu verlangsamen und zu rhythmisieren

Therapie

Die Schwerpunkte der Therapie des Polterns

  • Wahrnehmung der Symptomatik
  • Übungen zur Eigenkontrolle des Sprechens
  • sofortige Korrektur gepolterter Sprache
  • Einüben verschiedener Sprechgeschwindigkeiten
  • sprachliche Strukturierungsübungen
  • Übertragen der Therapieinhalte in den Alltag (In-vivo-Training)

Empfehlenswerte Seiten:

 

Empfehlenswerte Literatur:

  • Michael Decher, Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen: Ein Ratgeber für Betroffene und deren Angehörige, Schulz-Kirchner-Verlag
  • Prof. Dr. Wolfgang Wendlandt, Abenteuer Stottern: Ganzheitliche Wege und integrative Konzepte für die Therapie und Selbsttherapie - Ein Praxisbuch, Verlag: Stottern und Selbsthilfe
  • Jana Zang, Christine Dr. Metten, Poltern: Ein Ratgeber für Betroffene und Therapeuten, Schulz-Kirchner-Verlag ► www.schulz-kirchner.de